Verhalten - Darf mein Pferd treten?
Aktualisiert: 7. Feb. 2021

Vor ein paar Tagen war ich mit meinem Pferd spazieren. Da er aktuell unter Husten mit Ausfluss leidet, führte mein Weg im Anschluss auf den Reitplatz, um ihn noch ein paar Runden traben zu lassen, damit der Schleim sich löst und besser abfließen kann. Am Reitplatz angekommen fing ich also bald an, ihm am langen Strick traben zu lassen. Ich lief sehr nah an ihm mit, da ich keine Longe dabei hatte und dadurch nur wenig Abstand nehmen konnte. Ganz davon abgesehen, dass ich das Gefühl habe, dass er mehr Freude an der Arbeit hat, wenn ich näher bin, wie wenn er den "vorgegebenen" Abstand halten muss.
Nachdem er gut gelaufen ist und wenig hustete, forderte ich ihn auf, in den Galopp zu wechseln.
Wenn er übermütig wird, hat er manchmal den Drang sich wie eine Schlange zu winden und ein paar Hopser zu machen. Das Spiel wiederholte sich ein paar mal und es fügten sich immer mehr "Spinnerein" hinzu, bis er den Po im Galopp zu mir drehte und sich die Hinterbeine in der Luft wiederfanden.
Das ist ein Moment, an dem ich gern mal die Frage stelle: Darf er das?
Meine Antwort ist ein klares: Ja, zunächst einmal ist es sein Recht, sich zu äußern, wie er sich gerade fühlt. Da Pferde nicht sprechen können, äußern sie es häufig in Körperaktionen. Versteht mich nicht falsch, ich halte es nicht gut, dass ein Pferd tritt. Es ist mehr als nur ein bisschen gefährlich für den Menschen, wenn ein Pferd tritt. Dennoch darf auch ein Pferd sich äußern, wenn ihm etwas nicht passt oder sich einfach nur austoben möchte.
Also - Warum hat er das gemacht? Warum tritt ein Pferd?
Es gibt immer einen Grund für ein gezeigtes Verhalten. Ist es..
Übermut
Freude
Vergnügen
Frust
Ärger
Genervt sein
Schmerzen
Ungeduld
etc.
Es gibt unzählige Möglichkeiten, warum ein Pferd das macht. Das Heraus zu finden liegt in der Verantwortung des Menschen, wenn ein harmonisches Zusammensein mit dem Pferd angestrebt werden möchte. (Hast du vielleicht auch eine Grenze überschritten?) Und doch ist es notwendig, dem Pferd klar zu machen, dass hier eine Grenze überschritten wurde, die im Zusammensein mit dem Menschen einzuhalten ist. Jedes Gefühl ist in Ordnung, doch nicht jede Handlung kann akzeptiert werden.
Im Zusammensein mit anderen Menschen oder Kindern gestaltet sich das im Vergleich relativ einfach. Eine schöne Methode ist die "Feel-Back-Goal" Methode:
Wie fühle ich mich?
Welcher Gedanke/Bedürfnis steckt hinter dem Gefühl?
Was müsste passieren, damit ich mich besser fühle?
Aber auch das Sehen des Pferdes:
Was könnte das Bedürfnis hinter dem Verhalten sein?
Nun kann ich mich natürlich schwer hinsetzen und mit dem Pferd ein klärendes Gespräch führen, wie ich mich fühle, was meine Bedürfnisse sind und was passieren müsste, damit ich mich besser fühle. Jedoch kann ich mir selbst klar machen, was es in mir auslöst, wenn das Pferd nach mir tritt
Angst
Trauer
Wut
Ablehnung
Aggression
Freude
etc.
Ich denke, dass viele Menschen ein solches Verhalten ihres Pferdes persönlich nehmen und entsprechend reagieren. Sei es strafend mit Schlägen, sei es ängstlich und dem Abbruch der Einheit, sei es wild schimpfend, oder aber tatsächlich auch lachend, weil das Pferd so viel Lebensfreude versprüht.
Ich für meinen Teil reagiere so, dass ich darauf möglichst wenig emotional reagiere, sondern das Pferd immer wieder in diese Situation schicke. Wenn ich merke, er dreht den Kopf weg und den Po rein, gibt es höchstens einen kurzen Zug an der Longe bzw. dem Strick, danach Entspannung am Seil. Keine Aufregung, kein Schimpfen, keine Aggressionen, jedoch einen entsprechenden Sicherheitsabstand, dass er mich im Falle des Falles trotzdem nicht trifft. Damit versetze ich das Pferd immer wieder in diese Situation, zeige ihm durch die konsequente Wiederholung ohne positive Reaktion, dass ihm keine negativen Konsequenzen drohen, das gezeigte Verhalten trotz allem eine Grenze überschreitet, die er nicht überschreiten soll. Das führt natürlich nicht dazu, dass er direkt nach dem ersten Mal damit aufhört. Dennoch regt es zum Nachdenken an.
Nach etwa fünf Wiederholungen hat er den Blödsinn dann auch sein gelassen und erhielt von mir in diesem Moment ehrliche, freudige Aufmerksamkeit. Die restliche Zeit präsentierte er sich mit zugewandtem Kopf, stolzem Blick und erhabenen, gesetzten Bewegungen.
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